Als ich damals mit dem Schreiben angefangen habe, war das nur, weil mich diese Idee so lange gepiesackt hat. Und weil das Ganze immer umfangreicher und komplexer wurde, dachte ich, dass mir danach vermutlich sowieso nie wieder etwas einfallen würde. Pulver verschossen. Ende des Ausflugs in die Welt der Schreiberlinge. Aber so einfach lässt es dich nicht mehr los, wenn es dich mal gepackt hat.
Noch bevor ich mit der Rohfassung meines ersten Projekts am Ende war, hatte ich schon Ideen für zwei weitere.
Bei mir fängt es immer mit völlig wirren Notizen an. Manchmal ist es ein einzelner Satz, an dem ich mich aufhänge (und der es bisher nie in die Endfassung eines Romans geschafft hat). Manchmal die Idee für einen Protagonisten, oder auch nur ein Gedanke wie: Ich könnte doch mal über einen Dieb schreiben …
Ich erinnere mich mit Schrecken daran, als ich eines morgens beim Zähneputzen stand und mir dachte, ich könnte doch mal was Gemeines schreiben. Hallo!? Was Gemeines? Ja und worum soll es dabei gehen? Dazu hat sich mein Spiegelbild ausgeschwiegen. Aber glaubt ja nicht, der Gedanke hätte mich wieder losgelassen. Was Gemeines, also …
Egal, welcher der obigen Punkte der Auslöser für eine Geschichte ist, nichts davon ist nun wirklich viel und es reicht schon gar nicht, um sich hinzusetzen und zu schreiben. Aber es reicht immer, um eine Lawine auszulösen. Ist der erste Geistesblitz erst mal da, geht der Rest schon fast von selbst. Im Laufe der folgenden Wochen, manchmal auch Monate, kommen zu dieser ersten Idee eine Menge anderer dazu. Völlig durcheinander. Ich schreibe einfach alles auf. Gedanken zu Figuren, zur Handlung, oder zum Hintergrund. Mal in Stichpunkten, mal in ganzen Szenen. Eins führt zum nächsten und bald zeichnet sich ab, in welche Richtung die Geschichte gehen wird.
Und irgendwann kommt dann der Punkt, an dem ich genug Material gesammelt habe, um daraus einen Plot zu bauen.
Ich kenne einige Leute, die einfach drauf los schreiben, wenn sich die erste Idee eingestellt hat, und die dann quasi abwarten, wohin die Geschichte sie führt – und bei denen funktioniert das auch. Bei mir nicht. Ich muss wissen, wohin die Reise geht und, vor allem, wo sie endet.
Vielleicht liegt es daran, dass ich mich selten mit nur einem Handlungsstrang zufriedengebe und gerne mehrere Fäden aufnehme. Ein fertiger Plot hilft mir, keinen dieser losen Fäden zu vergessen und alle am Ende zu verknüpfen. Aber auch wenn ein Plot fertig ist, und ich mich schließlich dran mache, die Geschichte zu schreiben, steht er nicht unumstößlich fest. Manchmal merke ich erst beim Schreiben, dass eine Szene, oder ein Teil der Handlung, nicht so funktioniert, wie ich mir das vorgestellt hatte. Das zeigt sich bei mir meistens darin, dass ich vor meinen Laptop sitze, genau weiß, welche Szene jetzt an der Reihe ist und ich sie eigentlich „nur“ ausformulieren müsste. Aber irgendwie geht es nicht.
Als ich noch nicht wusste, woran das liegt, bin ich daran schier verzweifelt. Tagelang saß ich vor meiner Tastatur und kam nur im Schneckentempo voran. Und das Ergebnis war meistens so, dass ich es gleich wieder gelöscht habe. Manchmal ist es nur ein kleiner Punkt, der nicht mal einer Änderung in der eigentlichen Handlung bedarf. Zum Beispiel einen zeitlichen Ablauf straffen. Plötzlich brauchen die Helden eben nur zwei Tage, um etwas Bestimmtes zu erledigen, statt zwei Wochen. Manchmal genügt es, einen Schauplatz zu verlegen. Ich hatte mal eine Schlacht, die war einfach zu weit vom eigentlichen Handlungsgeschehen entfernt. Also musste das Schlachtfeld umziehen – und schon war es wieder stimmig. Oft sind es wirklich nur Kleinigkeiten, die einen gewaltigen Unterschied machen, dann geht es auch wieder voran.
Was mir in solchen Situationen hilft, ist ein Satz aus James Freys „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“ (ja, ich habe es gelesen, und ich habe mich sogar königlich dabei amüsiert!). Er sagt in einem Kapitel, man müsse fähig sein, den Traum noch mal zu träumen. Und genau das mache ich, wenn ich einen Hänger habe. Ich nehme mir meinen Plot und drehe und wende ihn in Gedanken, frage mich, wie es sich auswirkt, wenn ich hier oder da eine Änderung vornehme. Und plötzlich geht es!
Ebenso wichtig wie der Plot sind mir die Figuren. Es reicht mir nicht, zu wissen, dass einer ein finsterer Krieger ist. Ich muss alles über ihn wissen. Woher er kommt. Warum er Krieger geworden ist und welche Ereignisse ihn zu dem gemacht haben, der er heute ist. Ein ganzer Lebenslauf, von dem sich vermutlich nicht mal die Hälfte später im Roman wieder finden wird. Aber mir hilft es, meine Protagonisten – und auch Antagonisten – zu verstehen. Auf diese Weise lerne ich sie kennen, und hoffe, sie so zu Papier zu bringen, dass sie immer sie selbst sind, und nicht so gedreht und gewendet werden, wie ich sie in der jeweiligen Szene vielleicht gerade haben will.
Wenn der Plot und die Figuren stehen, geht es ans eigentliche Schreiben. Ich gehe immer chronologisch vor. Das ist aber – wie fast alles im Leben – Geschmackssache. Manchmal denke ich, dass es vielleicht besser wäre, eine Szene zu schreiben, auf die ich gerade Lust habe, statt mich der Reihe nach durch zu quälen und dieser Szene entgegen zu fiebern. Weil ich mich aber kenne und weiß, dass es eine noch größere Plackerei wird, wenn all Lieblingsszenen geschrieben sind, und nur noch der Rest übrig ist, bleibe ich lieber bei der Reihenfolge.
Am Ende ist dann die Erstfassung fertig. Wer jetzt aber glaubt, das war es, der soll seine Story doch mal ein paar Wochen zur Seite legen und sie danach noch einmal lesen. Glaubt mir, mich schüttelt es da regelmäßig. Beim Schreiben der Erstfassung geht es darum, die Geschichte erst einmal zu Papier zu bringen. Jetzt geht es an die Überarbeitung. Darum, die Geschichte in Form zu bringen, sie zu schleifen, bis alles logisch und straff genug ist, der Spannungsbogen passt und die Formulierungen nicht mehr haken.
Erst jetzt bekommen die Figuren und die Geschichte ihren Feinschliff. Manche werden fieser, Dialoge (hoffentlich) präziser. Langweilige Abschweifungen fliegen raus. Und viele dieser niedlichen kleinen Adjektive und Adverbien finden unter meiner Entfernen-Taste ein vorzeitiges Ende. Sterbt ihr kleinen Biester! Die meisten Sätze sehen ohne euch viel besser aus!
Meine Erstfassungen neigen dazu, schmalzig zu sein. Da kommt alles rein, von dem ich mir denke, dass es mein Herz als Leser höher schlagen ließe. Ich bin wirklich überzeugt, dass es gut ist. Beim späteren lesen dreht sich mir dann meist der Magen um, und der Kitsch fliegt wieder raus, oder wird auf ein (für mich) erträgliches Maß zurückgeschraubt.
Mit einmal überarbeiten ist es in der Regel nicht getan. Handlung, Schreibstil, Figuren … alles will Beachtung. Es kann sein, dass zweimal genügt, manchmal vielleicht aber auch fünfmal. Oder zehnmal. Egal wie oft, was am Ende heraus kommt, ist die Mühe wert!
Der eine oder andere denkt sich jetzt vielleicht: Hey, ich will auch schreiben! Wie soll ich das anstellen?
Darauf gibt es nur eine Antwort. Was ich oben beschrieben habe ist meine Art, mit dem Schreiben umzugehen. Für mich hat sie sich als tauglich erwiesen. Das heißt noch lange nicht, dass jemand anderes damit ebenfalls zurecht kommt. Tatsächlich kenne ich keine zwei Schreiber, die gleich vorgehen.
Es gibt mehrere Wege herauszufinden, wie es für einen selbst am besten funktioniert. Zunächst einmal ist es wichtig, viel zu lesen. Das verschafft euch ein Gespür, wie Plots und Figuren funktionieren. Selbst schlechte Bücher können da lehrreich sein. Filme und Serien kann man übrigens auch prima analysieren. Es gibt Schreibworkshops (z.B. bei Volkshochschulen), die euch so etwas wie eine Grundausstattung auf den Weg mitgeben können. Lest Bücher über das Schreiben. Da gibt es ein paar wirklich gute!
Und gebt das, was ihr geschrieben habt, anderen Leuten (natürlich welchen, denen ihr vertraut) zum Lesen. Fragt nach deren Meinung und gebt euch nicht mit einem „hat mir gut gefallen“ oder „war schlecht“ zufrieden. Die Frage muss sein: Was war gut oder schlecht? Wie hat die Geschichte gewirkt? Wie waren die Figuren, die Handlung, die Szenerie? Wo war es spannend, langweilig, tragisch, vorhersehbar …? Nur dann hilft euch Kritik wirklich weiter.
Wie viel/schnell man schreiben muss? Es gibt (wenige) Tage, da schaffe ich 20 oder 30 Seiten, dann gibt es wieder Tage, da kommt gerade mal eine halbe Seite raus. Meistens liege ich irgendwo dazwischen. Ganz egal, wie viel es ist, wichtig ist, dass ihr schreibt, wann immer es geht. Am besten täglich. Gewöhnt euch daran, beschäftigt euch damit. So bleibt ihr in eurer Geschichte und verliert nicht den Faden.
Wie immer ihr vorgehen wollt, denkt immer daran: Es gibt kein Richtig oder Falsch, sondern nur das, womit ihr am besten zurecht kommt! Und Spaß soll ja schließlich dabei sein!